Maldingen
Geschäftsaufgabe: Kaufhaus Rauschen-Thiesen schließt zum 31. Dezember 2022 – Inhaber blicken zufrieden zurück
Gitta und Alfred Rauschen verabschieden sich zum Jahresende in den Ruhestand.
Zum Jahreswechsel endet in Maldingen eine 75 Jahre währende Geschäftsära, wenn das weit über die Grenzen hinaus bekannte Kaufhaus Rauschen-Thiesen für immer seine Pforten schließt. Gitta und Alfons Rauschen liebäugeln bereits seit ca. vier Jahren mit dem Ruhestand und da kein Nachfolger für das vielseitige Geschäft zu finden ist, zogen die beiden nun spontan die Reißleine. Von Gerd Hennen
„Wir haben das am 4. Dezember, also erst vor wenigen Tagen, nachmittags spontan beschlossen“, erinnert sich Gitta Rauschen, die das Geschäft seit ihrer Heirat im Jahre 1975 zusammen mit ihrem Mann Alfons führt.
„Unser Steuerberater meinte, dass sich das Jahresende für eine Geschäftsauflösung am besten eigne. Das sind ja nur noch wenige Tage, sodass wir rasch handeln mussten“, so Alfons Rauschen mit einem verschmitzten Lächeln auf den Lippen. Am Montag wurde sofort eine Anzeige geschaltet, bei der Beschützenden Werkstätte Plakate in Auftrag gegeben und die treuesten Kunden telefonisch über den Abverkauf informiert. „Danach lief alles wie am Schnürchen, sodass wir kaum Zeit fanden zu Mittag zu essen. Pausen waren überhaupt nicht mehr drin“, stellte Alfons Rauschen weiter fest.
Dorfschmied Martin Rauschen eröffnete 1947 einen kleinen Eisenwarenhandel.
Nach den Kriegswirren des Zweiten Weltkrieges herrschte überall Mangel und Gerätschaften zum Wiederaufbau waren Mangelware. Der Maldinger Dorfschmied Martin Rauschen nutzte diese Gelegenheit und gründete 1947 in seinem Wohnhaus direkt neben der Schmiede einen kleinen Eisenwarenhandel, dessen Sortiment stets erweitert wurde. „Wir hatten eine kleine Landwirtschaft und mein Vater war Schmied, wärend meine Mutter dann das Geschäft führte. Das funktioniert sehr gut, denn andere, ähnliche Geschäfte gab es im Umkreis keine“, erinnert sich Alfons Rauschen. Schnell wuchs das Renommee des Kaufhauses, war man doch recht breit aufgestellt und erweiterte das Angebot zusehends. Zu einer einschneidenden Zäsur im Familienbetrieb wurde der Tod von Alfons Rauschens Mutter im Jahre 1974. Anfänglich führte Alfons Vater das Kaufhaus weiter. 1975 vermählten sich Gitta und Alfons und übernahmen auch gleich das Geschäft.
Das Geschäft wurde vergrößert, sodass im Erdgeschoss weiterhin die Schmiede angesiedelt war, während der eigentliche Geschäftsbereich ins erste Stockwerk, den ehemaligen Stallungen verlagert wurde. „Das wurde möglich, da mein Bruder die elterliche Landwirtschaft übernahm und neue Stallungen baute“, erinnert sich Alfons Rauschen weiter. Es folgte eine Zeit der ständigen Expansionen. Nach den Erweiterungen und Ausbauphasen erreicht das Geschäft heute eine Gesamtverkaufsfläche von über 400 qm.
„Unser Geschäft hat eine Länge von 27 Metern, sodass wir jedem Kundenwunsch gerecht werden können“, meint Gitta Rauschen. Das erlernte Handwerk des Schmiedes, Schlossers, Heizungsbauers und schließlich des Dachdeckers bescherte Alfons Rauschen zudem ein fundiertes professionelles Wissen. „Wir haben immer großen Wert auf absolute Profi-Qualität gelegt, was auch bei unseren Kunden sehr gut ankam“. So erhielt das Kaufhaus Rauschen-Thiesen auch schnell den Beinamen „Da gehst du hin und dort findest du alles!“
Neben Metall- und Eisenwaren gehörten Öfen, Herde und landwirtschaftliche Gerätschaften zum anfänglichen Warensortiment. Werkzeuge, Haushaltsartikel, Gartengeräte, Lebensmittel und später auch Arbeitskleider und -Schuhe rundeten schon schnell das komplette Warenangebot ab. „Wir waren in der Umgegend immer wieder ein beliebter Anlaufpunkt, da es bei uns quasi alles gab“, so Gitta Rauschen-Thiesen. So wurde das Geschäft auch ein direkter Anlaufpunkt für Hochzeitslisten, konnte man hier doch fast die gesamte Aussteuer zusammenstellen und erwerben „Wir haben selbst eine Zeit lang Mountfield-Rasenmäher vertrieben, was damals wahrlich ein Kassenschlager war. Auch übernahmen wir selbst den Unterhalt und die Reparaturen.“
Internetkäufe machten den Geschäftsleuten zu schaffen.
Mit dem Einzug des Internets erlebte auch das Kaufhaus Rauschen in Maldingen einen wirtschaftlichen Einbruch. „Wir haben zwar nach wie vor guten Umsatz gemacht, aber der Einkauf erwies sich immer schwieriger und wurde nach dem Konkurs unseres Grossisten schier unmöglich“, so Alfons Rauschen. In früheren Jahren sei er auch selbst zu den diversen Fachmessen nach Köln gefahren, um mit den Produzenten selbst zu verhandeln und Waren einzukaufen. Dies habe sich mit einem zuverlässigen Grossisten erübrigt, doch als dieser 2016 Konkurs anmelden musste, erwies sich die Warenakquise als unmöglich oder sehr schwierig: „Es gab plötzlich Mindestbestellwerte, ohne die man als kleines Geschäft keine konkurrenzfähigen Preise erhielt. Das konnten wir nicht mehr stemmen, zumal die Kunden auch mehr und mehr im Internet kauften. Viele verstehen einfach nicht, dass wir mit den großen Internetgiganten, die über riesige Stockmengen verfügen, preislich nicht konkurrieren können. Unsere Vorteile als kleine Einzelhändler liegen in der Beratung und dem Kundensevice, was aber in unserer schnelllebigen Zeit oft nicht anerkannt wird.“ So sei es beispielsweise häufig vorgekommen, dass Kunden sich im Geschäft über ein bestimmtes Produkt beraten ließen um es dann zehn Prozent günstiger im Internet zu bestellen.
„Ich denke, dass wir genug gearbeitet haben und uns nun den Ruhestand verdient haben“, meint Gitta Rauschen weiter. Mit dem Abverkauf ist das Ehepaar mehr als zufrieden, hätten sie sich einen solchen Ansturm doch nicht träumen lassen. Nach der Anzeige, den Plakaten und vor allem der Facebook-Notiz des Sohnes Romain wurde das Geschäft ab dienstags regelrecht überlaufen. Nicht verwunderlich, handelt es sich doch beim Sortiment um „Waren, die jeder braucht“. „So viele gusseiserne Töpfe und Pfannen wie in dieser Woche habe ich mein ganzes Leben noch nicht verkauft“, rekapituliert Gitta Rauschen die Schnäppchenjagd. Bis zum Jahresende soll alles verkauft sein. „Vor allem Geschenk- und Dekoartikel unter anderem für Weihnachten sind noch ausreichend da. Arbeitskleidung bietet sich in diesem Zusammenhang auch als ideales Weihnachtsgeschenk an“, so die Aussage. Am 31. Dezember jedoch werden die Pforten des Geschäftes Rauschen-Thiesen endgültig schließen, das stehe unumstößlich fest, so das Geschäftsehepaar unisono.
Das Ehepaar hat eine Tochter und einen Sohn und erfreut sich stolz über zwei Enkelkinder, die den Ruhestand sicherlich versüßen werden. Wie das Paar den eigenen Ruhestand plant, stehe derweil noch in den Sternen. „Wir werden auf jeden Fall weiter arbeiten und uns bei Garten- und Hausarbeit fit halten“, sagt Alfons Rauschen. Das Reisen sei noch nie ihr Fall gewesen. „Wir werden jetzt zunächst etwas länger schlafen, sehr gut und ausgiebig frühstücken um dann den weiteren Tag gemeinsam zu planen“, so die Beiden. Besonders freue man sich aber auch die regelmäßigen Treffen im „Moljer“-Seniorenkreis, wo kurzweilige Stunden verbracht werden. Letzte Schnäppchenjäger können täglich noch zwischen 8 und 19 Uhr im Kaufhaus Rauschen-Thiesen in Maldingen zuschlagen.
In der Weihnachtszeit sind Dekoartikel beliebt. Über die Jahre ist das Kaufhaus stetig gewachsen.
Quelle: Grenz-Echo 16.12.2022